Perlia, Richard

…. erwarb seinen Flugschein mit einer Klemm

* 6. April 1905 in Aachen       † 14. Februar 2012 in Berlin


Die nachfolgenden Passagen aus Büchern von Richard Perlia beziehen sich stichpunktartig im Wesentlichen auf seine Arbeit bei der Firma Klemm und deren Flugzeugen

Vorwort

…Jetzt endlich bewilligte meine Mutter die Flugausbildung für 800.- DM. Zahllosen Studenten, die sich von überall her an den an der TH Aachen lehrenden international bekannten Aerodynamikers Theodore von Kärmàn wandten, gab er nicht nur Ratschläge auf deren wissenschaftliche oder persönliche Fragen, er gab ihnen sogar volle Unterstützung und Empfehlung mit, wenn er glaubte, der betreffende sei geeignet oder habe es verdient.

1927 Ausbildung bei Klemm

…Ich erfuhr von ihm nähere Einzelheiten über eine Werkfliegerschule in Sindelfingen, wo ein Dr. lng. Hanns Klemm, neben seiner Tätigkeit als Direktor bei Daimler, eine Fliegerschule ins Leben gerufen hatte, die mit seinen Flugzeugen betrieben wurde.

Weller in Klemm

Aufregend war, dass mein Fluglehrer Weller vom Ersten Weltkrieg her mit Ernst Udet befreundet war und uns manches über Udet berichtete. Udet, 1894 geboren, war damals schon einer der erfolgreichsten Jagdflieger aus dem Ersten Weltkrieg und mit dem Pour le Mérite ausgezeichnet, ein Idol für flugbegeisterte Jugend. Von Kármán erzählte mir, dass Klemm bereits seit 1920 einen ganz aus Holz und nur mit Kaltleim geklebten Tiefdecker entwickelt hatte, mit dem schon viele internationale Rekorde erzielt wurden. Mit Kármäns Empfehlung meldete ich mich bei Weller als Flugschüler an. Der theoretische, tägliche Flugunterricht vollzog sich nicht etwa in einem Polytechnikum, sondern in Wellers Küche, im Beisein seiner Frau lrmchen, die derweil für uns Flugschüler Kaffee kochte und Kuchen bereitstellte.

in Wellers Küche

Weller war ein Universalgenie. Er unterrichtete in Motorenkunde, Wetterkunde, Meteorologie, Gesetzeskunde, Navigation, sowie in „Verhalten in besonderen Fällen“, die ich leider nur allzu oft bei plötzlich still stehendem Motor in der Luft zu spüren bekam. lm „Herausfliegen“ hatte ich ja schon Übung, wenn ich nur an meine vergangene klösterliche Zeit zurückdachte, aber jetzt hatte sich das „Fliegen“ voll ins Gegenteil gekehrt. Mich hatte ein unbeschreibliches Hochgefühl gepackt, als ich zum ersten Mal mit meinem Fluglehrer den Boden verließ und „in die Luft ging“.

Nach 40 Doppelsteuerflügen meinte Weller: „So, mein Lieber, nun machen Sie mal genau dasselbe allein, denken Sie, dass die Maschine aber erheblich leichter ist als Einsitzer und dass Sie nach einer Platzrunde höher kommen, wenn Sie nicht genügend gedrosselt haben. Also denken Sie daran, geben Sie beim Starten kurz Vollgas und fliegen Sie endlich los, aber nicht über 200 Meter gehen. Fliegen Sie wie immer hinten am Platz über den Schäferkarren, dann wieder 90° linksrum, -wir hatten sogar einen Kompass-dann wieder geradeaus an den Häusern Böblingens vorbei, dann kommt die Linkskurve zur Sindelfinger Straße runter bis zu den Comtessawerken, über deren Dach Sie dann das Gas wegnehmen, kurven etwas runtergehend rechts ein und schweben mit 60 km/h nach unten, die Kiste ganz langsam „kommen lassen“ und nicht mehr ziehen, sie setzt ganz von selber hin.“ Nach dieser langen Rede glaubte ich, dass Weller beim ersten Alleinflug eines Schülers immer ziemlich große Verantwortung und auch Angst fühlte, könnte doch dem Anfänger oder „seiner“ Maschine „etwas passieren“. Mit Vollgas und bei meinem Fliegengewicht war ich jetzt viel schneller vom Boden und auch schon bald höher als die „erlaubten“ 200 Meter. Mit zunehmender Höhe schien aber auch mein „Hochgefühl“ zu wachsen. Vor lauter Freude hätte ich laut schreien können, doch ich blieb stumm, es hätte ja sein können, dass bei dem gedrosselten Motor mit dem geringen Geräusch „Die da unten“ mein Schreien vielleicht als Angst auslegen würden. Wie berauscht blickte ich nach unten, entdeckte den Schäferkarren, um den herum viele „Rasenmäher“ friedlich weideten. Jetzt zogen mich die 20 PS nach Weil der Stadt über eine Landstraße hin, „wo ich noch nie war“, vorbei an dem kleinen, so idylisch gelegenen Böblingen mit seiner schönen, hoch auf einem Berg thronenden Kirche und dem dahinter stehenden Rathaus. Vorher hatte ich das alles nicht so recht mitbekommen, ich musste mich mehr auf den Fluglehrer, die Instrumente, als auf meine Umgebung konzentrieren, aber das war nun vorbei. Ich begann nach Herzenslust mal „richtig zu kurven“, um die Gegend zu genießen. Da erinnerte mich ein kurzer Blick auf den am Knie geschnallten Höhenmesser, dass ich schon über 500 Meter hoch war.

Mit Schrecken stellte ich nun fest, wie soll ich da noch „runterkommen“? Also nichts wie Gas weg, stark nach unten drücken, doch plötzlich fing die „Kiste“ ganz schön an zu pfeifen, der Fahrtmesser kletterte schon auf 150 km/h und die zulässige Fahrt bis zum roten Bereich war schon erheblich überschritten. Wenn ich weiter so drückte, dann fliegt mir die „Kiste“ noch um die Ohren. Einen Fallschirm habe ich doch auch nicht „dabei“. Mit noch nie geflogenen Flugfiguren „spiralisierte“ ich jetzt das Flugzeug nach unten direkt aufs Landekreuz zu. Mit „Affenfahrt“ sauste ich in etwa 2 Metern Höhe über Hermann Weller und seine Flugschüler hinweg, ich sah, wie sie alle die Köpfe einzogen und glaubte zu fühlen, was sie von dem Idioten „da oben“ wohl dachten und sagten. Auch die bisher so friedlich grasenden Lämmer stoben vor dem „Riesenvogel“ auseinander, dessen Fahrt zu einem Bodenlooping vollkommen ausgereicht hätte. Ohne Gas hatte die Geschwindigkeit stark nachgelassen. Angst um den „Vogel“ oder mich hatte ich nicht im Geringsten, um so schlimmer aber stellte ich mir die Strafpredigt von Weller vor, der mir sicher wegen meiner „Kunstfliegerei“ Startverbot geben würde.

Wie am Faden gezogen spulte ich nun meine Landung genau nach Vorschrift ab. Es kam zu einer prima „Eierlandung“ mitten aufs Landekreuz. Weller sagte kein böses Wort. Er meinte nur: „Perlia, machen Sie noch einmal dasselbe, aber nicht genau dasselbe“. Vielleicht hatte er doch gemerkt, daß ich jetzt schon, wenn auch ungewollt, mit dem „Ding“ umzugehen wusste. Die zweite Landung war denn auch so, wie Weller sie „haben wollte“. Die an der Startflagge versammelten Flugschüler hatten schon einen „Fliegerstrauß“ zusammengepflückt, der traditionsgemäß jedem flüggen gewordenen Flugschüler überreicht wurde. Dieser schöne, laue Sommerabend ist mir noch heute im Gedächtnis geblieben, es war so gegen 9 Uhr abends, als wir mit viel Hallo ins Café Kurz zu unserer Fliegerbraut Rosel gingen, wo ich „einen ausgeben“ musste. Cafè Kurz war etwas Besonderes. Da Alkohol verboten war, schenkte Rosel Bier und Schnaps in weiße Milchgläser, da man nie wusste, wann der einzige Landgendarm von Böblingen auftauchte, um nach dem „Rechten“ zu sehen. Betrat er dann unvermutet das Lokal, so tranken wir flugs „aus“ und Rosel schenkte schnell Milch nach.

In Böblingen ging nun der fliegerische Alltag programmgemäß weiter. Behördlich abgesegnet wurden jetzt: ein Einstundenflug in 2000 Meter Höhe mit amtlich versiegeltem Barografen, fünf Achten in 500 Metern Höhe mit anschließender Ziellandung und „Stehender Latte“. Als Abschluss dann der 300 Kilometer Überlandflug Böblingen-Frankfurt-Böblingen, innerhalb 7 Stunden, die zwar vorgeschrieben waren, von mir aber überschritten wurden. Von Böblingen gings genau Nordkurs, doch ein Gegenwind von etwa 40-50 km/h blies mir genau auf die „Schnauze“, sodass die Fahrt über den Boden oft nicht mehr als 50 km/h betrug. Da ich meist sehr niedrig flog, sah ich manchem Auto, welches mich spielend überholte, recht wehmutig nach. Als es beim Rückflug auf den Abend zuging, hatte ich fast Windstille und nicht den ersehnten Rückenwind. Es begann zu Dämmern, Scheinwerfer oder Positionslichter gabs noch nicht an dieser Schulmaschine, und mit mehr Glück als Verstand landete ich beim letzten „Büchsenlicht“ auf dem Böblinger Flugplatz, wo mich Hermann Weller voller Sorgen erwartet hatte. Obwohl die Zeit überschritten war, galten die Bedingungen als „erfüllt“, zumal mir die Quasinachtlandung“ ohne Bruch hoch angerechnet wurde. Ich erhielt meinen ersten Flugzeugführerschein und durfte jetzt schon einen Passagier „mitnehmen“.

Perlia mit Weller 30.8.1927

… Während meiner Tätigkeit bei Klemm als Werkpilot entsinne ich mich, dass unser Flugzeug mit der Zulassungsnummer D-608 nicht weniger als 20.000 (l) bruchfreie Starts hinter sich hatte. Diese Zahl kam dadurch zustande, dass mehr als 500 Schüler auf ihm Ihren ersten Alleinflug absolvierten, der aber erst nach 40 bis 50 Schulflügen erfolgte.

Der erste Absturz

Zusammenstoß einer HD 21 mit einem Flugschüler. Wenige Tage nach abgeschlossener Anfangsschulung gab es den ersten Dämpfer. Um den B-Schein zu erwerben, musste ich auf einen schwereren Typ umschulen. Mir stand ein zweisitziges Jagdflugzeug zur Verfügung, welches dem aus dem Ersten Weltkrieg berühmten Fokker D VII Jäger sehr ähnlich sah und schon über beachtliche 200 PS verfügte Stolz und nichtsahnend absolvierte ich die vorgeschriebenen Platzrunden, als plötzlich aus „heiterem Himmel“ ein kleines Schulflugzeug von hinten in meine Maschine hineinflog. Mit einem fürchterlichen Knall zerbarst die Klemm. Die zu meinem Glück nur aus zusammengeklebtem Sperrholz bestand, in viele kleine Stücke, die noch zum größten Teil an meiner Maschine hängen blieben. Nur mit größter Mühe und noch mehr Glück brachte ich meine schwer mitgenommene Maschine an den Boden, wo ich mich wegen des beim Zusammenstoß stark beschädigten Fahrwerks überschlug. Bewusstlos, doch unverletzt, zog man mich aus den Trümmern, die zum Glück nicht einmal Feuer gefangen hatten. Dem anderen Unglücksraben, der den Zusammenstoß herbeigeführt hatte, war nicht mehr zu helfen, er fand, wie es so schön heißt: „Den Fliegertod“. Die Unfalluntersuchung ergab, dass der „Rammflieger“ die Auflage hatte, wegen seiner schlechten Augen keinen Passagier mitnehmen zu dürfen. Ich selber hatte keine Schramme abbekommen, die nur kurze Bewusstlosigkeit war wohl auf den Schreck beim Überschlag zustande gekommen. Auch in den nun folgenden langen Fliegerjahren hat mich mein schon sprichwörtlich gewordenes Fliegerglück nie mehr verlassen, nur wenige Male, so z.B. bei unabsichtlich herbeigeführtem Trudeln mit steuerlos gewordenem Flugzeug und beim Fliegen des ersten Hubschraubers, den man bei einem Motorausfall nicht auf die lebensrettende Autorotation umschalten konnte, dann allerdings ging mir doch ein gewisser Körperteil laut Fliegersprache „auf Grundeis“. Danach freute ich mich umso mehr, „wieder mal davon gekommen zu sein“. Es machte mich nur traurig, dass im Laufe meines so langen Fliegerlebens immer wieder andere an meiner Stelle ins Gras beißen mussten. Doch davon später. Jetzt hatte mich die Fliegerei erst richtig „gepackt“. lch bat Hanns Klemm um ein Zeugnis mit Stellungnahme meines Fluglehrers, um es meiner Mutter zu schicken.

Ich teilte ihr mit, auf ein Studium verzichten zu wollen und bat sie mir jetzt Geld zur weiteren Flugausbildung zur Verfügung zu stellen und mit „etwa 1000RM“ müsse sie rechnen. Diese 1000RM waren damals sehr viel Geld, aber, wie sich dann herausstellt, „prima“ angelegt. Wie mir meine Mutter später erklärte, war das amtliche Gutachten des Württembergischen Wirtschaftsministeriums endlich für sie ausschlaggebend, den Gedanken, einen Geistlichen in der Familie zu haben, nunmehr aufgeben zu müssen, nachdem die Dienststelle mich als „einen ganz vorzüglichen, äußerst gewandten Piloten mit hervorragenden fliegerischen Eigenschaften“ beurteilt hatte. Nun stand einer freien Auswahl nichts mehr im Wege.

Richard Perlia wechselte zur Kunstfliegerschule Raab-Katzenstein. Dort wurde er Ende 1928 mangels Arbeit entlassen, ging ins Ausland, kam wieder zurück nach Deutschland und fuhr mit der Eisenbahn zur Firma Klemm, um dort nach einer Arbeit nachzufragen.

Werkspilot bei Klemm

..Ich berichtete Hanns Klemm von meiner Odyssee, die ihm scheinbar sehr imponierte. Wohlweislich verschwieg ich ihm den wahren Grund meiner plötzlichen Flucht aus Berlin, sondern berief mich auf die damals überall grassierende Arbeitslosigkeit, die mich veranlasste, „anderswo“ mein Glück zu versuchen. Klemm stellte mich als Werkpilot ein.

Reklameflieger

Ein noch größeres Glück war, dass ich meinen alten Freund und Kameraden, Crato Graf von Seckendorf wiedertraf, mit dem ich zusammen bei Weller fliegen gelernt hatte. Crato hatte es mit dem Geld seiner Großmutter zu einem eigenen Flugzeug gebracht und ich witterte ein „Geschäft“ damit zu machen. Crato machte sich nicht allzu viel aus dem Flugsport, er zog den Pferdesattel dem Sitz in seinem Flugzeug vor. So kam es, dass er meinem Vorschlag, mit seiner Maschine Geld zu verdienen, begeistert zustimmte. Ich schrieb an die Zigarettenfabrik Haus Bergmann und empfahl zu Reklamezwecken Gutscheine in die Gildehofpackungen zu legen und dann würden wir, gegen Erstattung von 20.- RM pro Flug, jeden der 10 Gutscheine vorweisen konnte, in der Gegend herumfliegen.

Die Firma stimmte zu und es kam bei uns beiden zu einer echten Geldschwemme. Es dauerte nicht lange, als die flughungrigen Gutscheininhaber in Massen zum Böblinger Flugplatz strömten. Tagaus, tagein machte ich eine Unzahl von „Überlandflügen“, die jedoch nicht länger als höchstens drei Minuten dauerten. Dabei wurde noch eine „Gipfelhöhe“ von maximal 30 Metern erreicht. Einige Monate klappte der „Laden“ ganz vorzüglich, Crato und ich schwammen nur so im Geld, von dem wir aber keinen Pfennig Steuern zahlten, denn es waren doch nur „reine Übungsflüge“. Aber es kam, wie es kommen musste. Irgendjemand musste sich wohl über den „kleinen“ Uberlandflug und die geringe Höhe beschwert haben. Wir wurden zur Luftaufsicht bestellt. Hier erklärte uns der Leiter Oberleutnant Stanischewski, eine Meldung an das Finanzamt durchzugeben, wenn wir nicht sofort mit dem „Blödsinn“ dieser „Überlandflüge“ aufhören würden. Er hatte einen Trumpf in der Hand, nachdem er von uns erfahren hatte, dass wir bisher keinen Pfennig Steuern bezahlt hatten. Wir waren froh, „mal wieder davon gekommen“ zu sein und gaben das schöne „Geschäft“ also auf. Hatte es doch Tage gegeben, wo wir oft mehr als 20 Flüge machten und so 400.- RM und mehr „verdient“ waren. Für die damalige Zeit schon ein kleines Vermögen. Es kam zu keiner Anzeige. Das Finanzamt rührte sich nicht.

Auf der Suche nach einer neuen Geldquelle, hatten wir wieder mal eine Idee. Wir schrieben Schokoladen- und Cigarettenfabriken an und pinselten gegen „Entgelt“ deren Namen auf Cratos Flugzeug, um damit über der Solitude Rennstrecke Reklame zu fliegen. Mit nur 95 km/h überflogen wir dann die Strecke, wobei uns aber die Rennwagen mit doppelter Geschwindigkeit überholten. Eines der Rennasse von Mercedes war der Fabrikfahrer Merz. Eines Tages lud er mich ein, als Sozius in seinem Mercedes während des Trainings mitzufahren, wenn ich ihn zum Dank einmal in der Klemm mitnähme. Wir flogen die Rennstrecke ab, anschließend nahm ich in dem Rennwagen von Merz platz. Diese Fahrt werde ich nie vergessen. Wie wahnsinnig drehte Merz auf, vor fast rechtwinkligen Kurven tippte er nur leicht gegen die Bremse, ließ dann das Heck herumschleudern, um mit Vollgas auf der so schmalen Straße an die nächste Kurve zu rasen, ich stand Höllenangst aus. Wenig später hörte ich, dass Merz an einem Markierungsstein tödlich verunglückte. Der Schreck, den ich bei dieser Fahrt mit Merz hatte, saß mir noch lange in den Knochen, hatte ich ihn doch so schön und ruhig herumgeflogen und er hatte sich mit toller Raserei bei mir revanchiert. Wie aus der Bordbucheintragung ersichtlich, sollten wir am 13.7.30 mit Seckendorf’s Flugzeug laut Vereinbarung mit der Rennleitung vier Stunden Reklame fliegen. Wir brachten es aber nur auf knapp 180 Minuten, da uns nach dem Auftanken für den dritten Anflug der Motor wieder mal im Stich ließ und wir aus niedriger Höhe eine Notlandung „fabrizieren“ mussten. Obwohl wir laut Bordbuchauszug fast insgesamt 3 Stunden in der Luft waren, weigerte sich der Auftraggeber uns auch nur eine müde Mark zu zahlen, angeblich wegen Nichteinhalten des Vertrages. Seckendorf meinte: „Dieser verfluchte. Motor, diese miesen Schweine, sie haben so viel Geld und wir gehen wieder leer aus“.

1930 Akrobatikflieger

Um mit der Fliegerei Geld zu verdienen, war Crato und mir jetzt jedes Mittel recht. So verdingte ich sein Flugzeug an Sonn- und Feiertagen für Akrobatikflüge. Fritz Schindler, bekannt unter dem Namen „Herr des Todes“ ließ sich in unserer Daimler-Klemm L20 im Vordersitz eine etwa zwei Meter lange Stange montieren, an der er, nur mit einem Fuß in einer Schlaufe hängend, die „Fahne“ machte.

Richard Perlia mit der Schindler Maschine

Die Flughöhe betrug hierbei nicht mehr als 30 Meter. Dann kletterte er durch eine Luke im Boden an einer dort befestigten Strickleiter herunter, um nun, an der untersten Sprosse hängend, Knie- und Gaumenhang zu demonstrieren. Und das alles mit einem Motor von nur 20 PS mit zwei Zündkerzen. Jung und unbeschwert, wie ich als Pilot damals war, machte ich mir keine Gedanken über soviel Leichtsinn mit derartigen Schauflügen, aber ich ahnte nicht, welch schreckliches Ende solche Akrobatik nehmen sollte.

Ich war noch immer als Werkpilot bei Klemm tätig und wegen meiner Zusammenarbeit mit Schindler ergab es sich wie von selbst, dass ich eines Tages dazu eingeteilt wurde, die obere Klemm zu steuern, an der sich Schindler von der darunter fliegenden Maschine mittels einer Leiter „hocharbeiten“ sollte. An einem Sonntag war es so weit. Das württembergische Verkehrsministerium hatte den Versuch genehmigt und tausende von Zuschauern waren am Flugplatz Böblingen versammelt, um den „Herrn des Todes“ zu sehen, wie er von einem Flugzeug in ein anderes umsteigen wollte. Bei der unten fliegenden Maschine handelte es sich um einen „Udet Flamingo“, auf der Schindler Platz genommen hatte, die obere war eine Klemm mit einem Argusmotor, die aber, um „mithalten zu können“ gegenüber dem stärkeren Flamingo mit Vollgas fliegen müsste. Um 14 Uhr sollte die Schau beginnen. Doch um diese Zeit befand ich mich noch zum Mittagessen im Gasthof zum „Bären“, ich drängte den Kellner, mir schnell das Essen zu bringen, „da ich zum Platz rausmüsse“. Endlich kam ich mit einer Viertelstunde Verspätung auf dem Flugplatz an, als ich zu meinem Erstaunen sah, dass die Schau schon „in vollem Gang“ war. Ich ärgerte mich nicht wenig, als ich hörte, man habe nicht länger auf mich warten wollen und an meiner Stelle jetzt den Piloten Hagemeier genommen. Schindler stand jetzt auf dem oberen Tragdeck des „Flamingo“ und hatte seine Füße in Schlaufen stecken. Er beugte sich gegen den Fahrtwind weit nach vorn und versuchte die von der dreisitzigen Klemm herunterhängende Stahlrohrleiter zu greifen. In etwa 400 Metern Höhe flogen beide Flugzeuge untereinander gestaffelt im Kreis, schon zweimal hatte Schindler vergebens versucht, die untere Leitersprosse zu erreichen. Die Spannung wuchs ins Unerträgliche. Endlich hatte Schindler die Sprosse fassen können, doch dabei zog er die bereits mit Vollgas fliegende Klemm, die jetzt keinen Kraftüberschuss mehr hatte, auf sich herunter.

Obwohl der „Flamingo“ von dem Fluglehrer der Akaflieg-Stuttgart, Spengler, geflogen wurde, gelang es ihm nicht, den Zusammenstoß zu vermeiden. Durch die plötzliche Gewichtsverlagerung wurde mit dem „Davonschweben“ Schindlers das untere Flugzeug entlastet, in der oberen Maschine befanden sich bereits zwei Mann, der schon erwähnte Pilot Hagemeier und Fluglehrer Strecker (richtig Engwer), der die Leiter ausfahren sollte. Beide Flugzeuge berührten sich, die Propeller schlugen ineinander, ein Knäuel von Flugzeugteilen stürzte zu Boden. Strecker (Engwer), Hagemeier und Spengler waren sofort tot, Schindler dagegen flog mit weit ausgebreiteten Armen schreiend durch die Luft, er streckte in einem schwarzen Trikotanzug mit einem auf der Brust gemalten Totenkopf. Dann schlug er in das Dach der an der Straße nach Sindelfingen stehenden Comtessa-Nettelwerke hinein.

Ich hatte alles aus nächster Nähe mit ansehen müssen, vor Entsetzen wurde mir fast schlecht bei dem Gedanken, was wäre, wenn der Kellner nicht so verspätet mein Essen gebracht hätte? Es waren nur ein paar Minuten, die für mich zwischen Tod und Leben entschieden hatten. Ein so banales Geschehen, ein zu spät serviertes Essen, hatte mich vor dem gleichen Schicksal „wie die da oben“ bewahrt. Der ganze Vorgang wurde von einer nebenher fliegenden Maschine gefilmt. Mein Fluglehrer Hermann Weller hatte in seinem Flugzeug einen Kameramann mitgenommen, der das Unglück aufnahm. Der Film wurde sofort beschlagnahmt und im württembergischen Verkehrsministerium einem Sachverständigengremium  vorgeführt. Nunmehr verbot Ministerialrat Bieser, der die Vorführung genehmigt hatte, derartige Veranstaltungen. Es war das zweite schwere Unglück in Böblingen, dem ich nur mit viel Glück lebend entkam. Ich hatte mal wieder, wie es so  im Fliegerjargon heißt, „Unverschämtes Schwein“ gehabt.

1931 Fliegerschule in Aachen

…Langsam machte mir das Abhängigkeitsverhältnis als Werkspilot bei Klemm nicht mehr so richtig Spaß … und so wechselte Perlia nach Aachen und eröffnete dort 1931 eine Flugschule, die bald ein voller Erfolg wurde. Dank einiger Sponsoren konnte bald eine neue Klemm Kl26 mit BMW-Sternmotor (D-2037) angeschafft werden. Dank der guten Flugeigenschaften reifte zusammen mit seinem Freund die Idee auf der Zugspitze zu landen. Perlia erzählte Hanns Klemm von ihrem Plan, der ihm daraufhin ein Skifahrwerk zum Ausleihen anbot.

1932 Zugspitzflug

Am Gründonnerstag 1932 starteten wir in aller Frühe und gaben als Ziel Köln an. Leo steuerte eine holländische Pander, einen schnellen, zweisitzigen Hochdecker mit Cirrhus-Motor, ich flog die Klemm und schon nach wenigen Minuten hatten wir uns wegen der unterschiedlichen Geschwindigkeit der beiden Flugzeuge aus den Augen verloren. Statt in Köln zu landen, nahmen wir direkten Kurs auf Stuttgart-Böblingen. Hier meldete ich mich sofort bei Dr. Klemm, der im Werk sogleich die Skier anmontieren ließ, und zwar so, dass die mittels Steckachsen angesetzten Skier etwas höher lagen als die Laufflächen der Räder. So war es möglich auf einer Grasnarbe zu starten und zu landen und ebenso auch auf Schnee. Zur Vermeidung eines Überschlags wurden die Skispitzen mit einem Gummiseil etwas nach oben gezogen, sodass bei einer Schneelandung die Skier mit dem hinteren Ende zuerst aufsetzen konnten. Von Böblingen gings zuerst nach München-Oberwiesenfeld.

Klemm KL 25 München-Oberwiesenfeld

Gegen 9.00 Uhr starteten wir bei strahlendem Sonnenschein Richtung Zugspitze, die wir schon aus 80 Kilometer Entfernung erkennen konnte. Zuerst umrundeten wir das goldene Zugspitzkreuz, dann die meteorologische Station im Münchener Haus und hielten erst dann nach einem „Landeplätzchen“ Ausschau. Es blieb uns nur das um 30° geneigte Zugspitzblatt übrig, rundherum nur Felsen und kein Schnee. Es gab nur diese provisorische Landemöglichkeit, die wir jetzt von unten nach oben ansteuerten. Wir hatten noch nie im Hochgebirge geflogen und auch keine Ahnung, dass wir plötzlich in bösen Abwind kamen, der uns wie eine Riesenfaust nach unten drückte und trotz Vollgas uns aus etwa 10 Metern Höhe in den Gott sei Dank fünf Meter hohen Pulverschnee drückte.

Nichts passierte, nur unsere Überraschung war perfekt. Wir befanden uns nicht weit weg von dem damals erst drei Jahre alten, noch recht vornehmen Schneefernerhaus, aus dem nun, voran der Hoteldirektor und eine Menge Neugieriger auf Skiern und Schneereifen aus dem Hotel herausliefen, um uns aus „der Nähe“ zu betrachten. Der Hoteldirektor war begeistert und lud uns spontan ein seine Gäste zu sein, wenn es nur möglich wäre bei dem hoffentlich schönen Wetter am Ostersonntag einige Flüge zu machen. Er hatte bestimmt den Hintergedanken, dass eine solche Sensation auf der Zugspitze und dazu noch an Ostern ihm eine Menge Leute „ins Haus“ bringen würde. Er hatte sich nicht verrechnet. Bereits am nächsten Tag, besonders aber an den beiden Ostertagen war sein Hotel restlos überfüllt. Für mich war alles kostenlos, da ich auf den Wunsch eingegangen war, so oft als möglich zu starten und zu landen und „wenn ginge auch mal einen Looping oder so zu machen“. Ich tat, was ich konnte. Leo musste leider am selben Tag nach Hause zurück-kehren. Ich konnte jetzt die ganze Situation für mich allein auskosten. Es gab eine wundervolle Woche, die mit Kunst- und Passagierflügen ausgefüllt war. Besonders freute mich die Absicht eines reichen Amerikaners, der mir 100 $ für einen Passagierflug bot. Von den „anderen“ hatte ich viel weniger bekommen. Zur Vorsicht ließ ich jeden Passagier unterschreiben, dass er „auf eigene Gefahr“ mit mir fliege und ich für nichts hafte. So einfach war das damals, ob es aber juristisch vertretbar war, wusste ich nicht. Immerhin kassierte ich von dem Ami zum damaligen Kurs gerechnet, knapp 420.- RM, für 15 Minuten Rundflug eine schöne Summe.

Die herrlichen Tage vergingen leider viel zu schnell. Aufziehende Wolken, Föhn und starker Wind ließen es mir ratsam erscheinen, dem Meteorologen im Münchner Haus einen Besuch abzustatten. Er riet mir dringend, sofort zu starten. Als ich mit der Drahtseilbahn zum Schneefernerhaus runterfuhr und einen Blick auf mein Flugzeug tun wollte, war es verschwunden. Ich erstarrte vor Schreck. Weit ab von der Stelle wo es vorher war, sah ich eine Menge Skifahrer, die neugierig um „etwas“ herumstanden. Da lag sie nun, meine schöne Klemm, auf dem Rücken und mit den „Beinen“ nach oben. Sie hatte eine „Damenlandung“ gemacht. Starker Abwind von der Scharte des Zugspitzplatts hatte sie zur „Windsbraut“ gemacht , eine kleine Strecke weiter wäre sie fast 800 Meter tief gestürzt, wenn sie sich nicht noch rasch überschlagen hätte.

Klemm Kl26 D-2037

Nicht auszudenken, was mit dem Flugzeug und mir passiert wäre. Aber sie hatte sich nicht „weh“ getan. Außer dem Benzinstandrohr aus Plastik hatte es keinen weiteren Bruch gegeben. Nur der Sprit war jetzt „alle“. Jetzt zeigte sich bei diesem „Unfall“ die geniale Konstruktion der Klemm-Flugzeuge. Nichts war einfacher, als die mittels Steckbolzen gehaltenen Tragflächen aus dem Rumpfmittelstück herauszuziehen, den Rumpf um seine Längsachse zu drehen und die Flächen dann auf der „richtigen“ Seite wieder mit den Bolzen zu befestigen. Dann wurde das „Ganze“ von den begeisterten Zuschauern mit Seil und „Hauruck“ 200 Meter „nach oben“ gezogen. Ich selber fuhr mit der Zugspitzbahn nach Partenkirchen, um Sprit zu holen, aber keinen Tropfen mehr, als um nach München zu gelangen. Ich wollte die Maschine für den Start so leicht als möglich halten, da ich darauf angewiesen war, mit starkem Rückenwind zu starten. Der Wind blies schon sehr heftig von der Zugspitzscharte Richtung Gatterl, die Startneigung betrug zwar 30°, aber der Rückenwind, mit dem ich den Start versuchen musste, war sehr gefährlich und allergrößtes Risiko. Nichts Gutes ahnend hatte ich sogar meinen Koffer, Bordwerkzeug und was ich sonst noch entbehren konnte, zurückgelassen und veranlasst, mir alles per Bahn nachzusenden. Ich verzichtete auch auf einen Probestart, der mir sowieso nichts gebracht hätte bei dem immer stärker werdenden Rückenwind. Meine Vorsicht, die Maschine so leicht als möglich zu machen, war mehr als berechtigt, zumal ich auch an die dünne Luft in 3000 Metern denken musste. Hätte ich nicht so vorsichtig gehandelt, dieser Start, den ich nie vergessen werde, hätte sonst bestimmt mit einem restlosen Bruch geendet.

Wie wir Piloten sagen, ich „hatte die Pulle bis vorne drin“, begann ich zu starten, aber das Rutschen mit den Skiern nahm kein Ende. Obwohl das Flugzeug immer schneller wurde, so hatte ich dennoch bei dem starken Rückenwind praktisch noch „gar nichts drauf“ und mehr als Vollgas gabs nicht. Zum Glück wurde das Zugspitzplatt immer steiler und ich sah einen Schneebuckel auf mich zukommen. Ausweichen war unmöglich, es gab einen starken Stoß, wie auf einer Startrampe, die Skier kamen frei und ich hing „wie eine reife Pflaume“ in der Luft. Vor mir gähnende Leere, in die ich mit gemischten Gefühlen hineindrückte, um Fahrt zu bekommen. Ich fühlte mich wie in einem großen Kessel gefangen, Vollgas bis „vorne drin“ nutzte gar nichts. Ein scheußlicher Abwind zog mich immer weiter nach unten. Erst in einem bedrohlich nahen Abstand zur Bergwand des Gatterl war der rapide Höhenverlust zu Ende. Hier wurde der Abwind zum Aufwind. lnstinktiv tat ich jetzt das einzig richtige und kurvte so nahe als möglich am Rande der Berghänge. Entfernte ich mich aber „zuviel“ davon, so gings rapide abwärts. Fast 10 Minuten kämpfte ich so verbissen um jeden Meter Höhe, es erschien mir wie eine Ewigkeit, als ich endlich an den Rand des Kessels kam, um dann in wenigen Metern Höhe über die Scharte vom Zugspitzplatt zu entwischen. Die „Kurbelei“ im Kessel hatte viel Treibstoff gekostet, doch, da ich jetzt ab 3000 Metern Höhe nur noch „bergab“ zu fliegen brauchte, musste das Benzin bis nach München-Oberwiesenfeld reichen. Als ich 1000 Meter unter mir den Eibsee sah, tat ich einen Freudenschrei, denn mein Leben hatte nur noch an einem dünnen Faden gehangen. Wie viele tödliche Unfälle hatte es nicht schon aus den gleichen Gründen von im Hochgebirgsflug unerfahrenen Piloten gegeben, von denen auch ich einer war.

Laut Bordbuch wurde ein Platz- und Passagierflug amtlich bestätigt, doch mangels einer „richtigen“ Luftaufsicht wurden die Kunst- und weiteren Passagierflüge nicht berücksichtigt. Zwei Stunden später meldete ich mich bei Klemm zurück, um die Skier loszuwerden. Klemm beglückwünschte mich zu den bruchfreien Starts und Landungen auf dem Zugspitzplatt, von denen er schon durch die Zeitungen Einzelheiten erfahren hatte. Klemm war nicht wenig stolz, dass es wieder mal eines seiner Flugzeuge war, welches soviel Erfolg hatte.

In den BMW Nachrichten wurde der Zugspitzflug entsprechend gewürdigt

1939 Chefpilot bei Klemm

Im Laufe der Zeit übte Richard Perlia dann eine Reihe der unterschiedlichsten Tätigkeiten aus, bis er auf der Suche nach einem „etwas ruhigeren Job“ schließlich Chefpilot bei den Klemm-Werken in Böblingen wurde:

…. Ich nahm jetzt Fühlung zu Klemm in Böblingen auf, da, wo ich 1927 meine Fliegerlaufbahn begonnen hatte und noch einen guten Draht zu Dr. Hanns Klemm vermutete. Schon einmal hatte ich bei Klemm als Werkspilot gearbeitet und jetzt war seine Zusage, mich als seinen Chefpiloten einzustellen, mehr als verlockend.

Karl Voy  schreibt in seinen Erinnerungen für seine Kinder und Enkelkinder „Mein Leben“ dazu Folgendes: Am 5. Juli 1939 stürzte Peter Kalkstein bei einer Trudel-Erprobung mit einer Klemm KL 35 ab. Ich verlor mit ihm meinen besten Freund. Herr Dr. Klemm stellte daraufhin einen vom RLM zugewiesenen Einflieger ein, der sich seine Arbeit aber sehr leicht machte, in dem er mich die schweren und mit hohem Risiko verbundenen Flugaufgaben fliegen ließ. Ein Vierteljahr machte ich dies mit, dann sprach ich mit Herrn Dr. Klemm über diese Situation, woraufhin er mich fragte, ob ich es mir zutraue, die Nachfolge Peter Kalksteins zu übernehmen, was ich bejahte. Herr Perlia wurde an das RLM nach Berlin zurückbeordert und ich wurde Chef-Pilot.

Doch ich irrte mich. Klemm, schien im Gegensatz zu mir, vom Nationalsozialismus stark infiziert zu sein. Wenigstens tat er so. Ich habe nicht herausbekommen, ob es ihm im Grunde seines Herzens damit ernst war oder auch nicht. Maßgebend für seine Einstellung zu den Nazis war in jedem Fall die Tatsache, dass auch sein Betrieb zu einem wichtigen Rüstungsfaktor in Hitler’s Kriegsmaschinerie geworden war. Zu meinem Aufgabenbereich gehörte auch das Einfliegen völlig neuer Muster, die ich bis zur Serienreife bzw. Musterprüfung fertig fliegen musste. Doch kaum hatte ich mich in meinem neuen, doch recht interessanten und verantwortungsvollen Aufgabenbereich eingelebt, als mir Klemm eröffnete, dass mir als seinem Chefpiloten nun die „ehrenvolle Aufgabe“ zufalle, ein bis zweimal die Woche seine Leute mit einer SA-Fahne durch Böblingen zu führen, und das sogar in Uniform des NSFK: Ich tat dies als Zumutung ab und meinte: „Sie haben mich doch als Einflieger für ihre Maschinen eingestellt und nicht als Pseudesoldat zum Marschieren für das NSFK“. Klemm, drohte mit einer Meldung an das RLM nach Berlin. Vielleicht hatte er in seinem Inneren doch noch einen Funken Mitgefühl, es gab keine Meldung. Hätte er es getan, so wäre mit Bestimmtheit meine Fliegerlaufbahn beendet gewesen. lmmerhin war ich wegen seiner Drohung, mich wegen meiner Weigerung anzuzeigen, so verärgert, dass ich um sofortige Auflösung meines Arbeitsverhältnisses bat. Ich war seit 1927 Klemm als einer seiner ersten Flugschüler bestens persönlich bekannt, öfter mal war er zusammen mit mir geflogen, begeistert war er über den mit einem Klemmflugzeug gelungenen Zugspitzflug und meiner Landung vor dem Schneefernerhaus. Er wusste von meiner Odyssee im Nahen Osten, meiner Erprobung beim Flachtrudeln in der DVL, sodass wir trotz allem uns mit einem freundlichen Händedruck verabschiedeten.

Damit enden Richard Perlia’s Kontakte mit Klemm.

Die AG Böblinger Flughafengeschichten hatte in seinen letzten Lebensjahren noch telefonische Kontakte mit ihm und gratulierten am 6. April 2011 zum 106. Geburtstag. Am 14. Februar 2012 verstarb Richard Perlia.

Am 14. Februar 2012 verstarb Richard Perlia mit 106 Jahren. Ein Exemplar seines Buches „In geheimer Mission“ – aus dem auch der Text über seine Böblinger Zeit und mit Klemm Maschinen stammt – mit persönlicher Widmung haben wir an das Böblinger Stadtarchiv übergeben.


Der Rosinenbomber-Pilot Gail Halvorsen trifft am 11. Februar 2008 auf dem Flughafen Tempelhof den ältesten Piloten der Welt: Richard Perlia. Beide kämpfen für den Weiterbetrieb des Zentralflughafens Tempelhof.